Steinblog

Zeitzeugenvortrag am Stein: „Dies war spontaner Leichtsinn ganz junger verliebter Leute“.

Mit diesen Worten beschrieb Dr. Harald Korth die Flucht seiner Frau Karin aus der damaligen DDR. In einem sehr persönlichen Gespräch berichtete er den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 10 von ihrer bewegenden Fluchtgeschichte. Frau Korth selbst konnte krankheitsbedingt leider nicht anwesend sein.

Zunächst erfuhren wir, wie sich die beiden kennenlernten. Harald Korth, 1945 in Schleswig-Holstein geboren, studierte Ende der sechziger Jahre Wirtschaftsingenieurwesen in Berlin, wo er sein Studium 1972 erfolgreich abschloss. Die Arbeit an seiner Promotion führte ihn nach Beendigung seines Studiums immer wieder nach Westberlin und schließlich auch nach Dresden, wo er seine spätere Ehefrau Karin kennenlernte. Im weiteren Verlauf des Vortrags berichtete Herr Korth darüber, wie er mithilfe der Fluchtorganisation „Nierendorf“ seiner Frau dazu verhalf, aus der DDR zu flüchten und ein neues Leben im Westteil Deutschlands zu beginnen. Im Kofferraum des damals verwendeten Fluchtautos passierte Karin dabei im Jahr 1973 die Grenze zur Bundesrepublik Deutschland, woraufhin die spontane und eilig organisierte Flucht Karins mit einem glücklichen Wiedersehen der beiden endete. Wie leichtsinnig und gefährlich dieses ganze Unterfangen tatsächlich war, wurde dem jungen Paar erst im Nachhinein so richtig bewusst. So wurde etwa der Fluchthelfer, der Karin geholfen hatte, kurz darauf bei einem weiteren Fluchtversuch festgenommen. Er selbst wurde zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt, das Ehepaar, dem er zur Flucht verhelfen wollte, wurde ebenfalls gefangengenommen und für drei Jahre inhaftiert. Anders als viele andere, deren Fluchtversuche misslangen und die mit harten Strafen (langen Inhaftierungen, Isolation, psychischer Folter) belegt wurden, hatte das Ehepaar Korth „wahnsinniges Glück“.

Somit liegt ein weiterer interessanter und tief beeindruckender Tag hinter uns, an dem Geschichte für unsere Schulgemeinschaft hautnah erlebbar wurde. Nachdem uns eine Woche zuvor bereits Eva Weyl besuchte und uns in einer bewegenden Erzählung einen Einblick in das Leben eines jüdischen Kindes zur Zeit des Nationalsozialismus gewährte, nehmen wir abermals mit, wie glücklich und dankbar wir heute sein dürfen, in einem Land zu leben, in dem Menschen nicht willkürlich unterdrückt, verfolgt, inhaftiert, gequält oder ermordet werden. In Zeiten, in denen Kriege, demokratiefeindliches sowie menschenverachtendes Gedankengut unser friedliches Zusammenleben gefährden, wollen wir nicht nur den schrecklichen Verbrechen der Vergangenheit gedenken, sondern uns einsetzen für Freiheit, Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit.

Im Namen des Freiherr vom Stein Gymnasiums danken wir allen ZeitzeugInnen für ihren Besuch an unserer Schule und ihre unentwegte Anstrengung und ihr persönliches Engagement. Darüber hinaus möchten wir dem Ehepaar Korth, deren Geschichte nun mehr als 50 Jahre zurückliegt, ganz herzlich zur Goldenen Hochzeit gratulieren.

Abschließend sollen unsere Schülerinnen und Schüler selbst noch einmal zu Wort kommen. Hier einige Impressionen, was sie aus dem Vortrag von Herrn Korth mitgenommen haben:

  • „Ich habe gemerkt, dass die beiden sehr viel Glück bei der Flucht hatten. Und ich fand es echt beeindruckend, wie mutig sie waren.“
  • „Der Vortrag war sehr interessant und es war für mich, als hätte ich es selbst miterlebt.“
  • „Ich habe den Zeitzeugenvortrag als sehr eindrucksvoll empfunden. Herr Korth hat einen sehr guten Einblick in das Leben und die Situation damals gegeben.“
  • „Ich habe gelernt, dass die Stasi überall war und viele Menschen abgehört, beobachtet und ausspioniert hat.“
  • „Mich hat überrascht, wie lange die Stasi sich noch für (bereits) Geflüchtete interessiert hat.“
  • „Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Herr Korth uns erzählt hat, wie so eine Flucht aus einer Diktatur aussah.“
  • „Ich habe gelernt, wie schwierig das Leben in der DDR war und dass eine Flucht sehr gefährlich war.“
  • „Die Geschichte war sehr bewegend und wunderbar erzählt, vor allem den Fluchtmoment fand ich interessant.“
  • „Die Geschichte wäre filmreif, als Liebesfilm.“

M. Bergmann (für die Fachschaft Geschichte)

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